NRW-Landesregierung fördert im Rheinischen Revier den Aufbau eines Forschungsflugplatzes

Aachen-Merzbrück: Luftfahrt goes Green

Pilotin wollte Mona Neubaur als kleines Mädchen werden. Auch wenn sich der Berufswunsch nicht erfüllt hat, stieg die NRW-Wirtschaftsministerin ins Cockpit: Vom Flugplatz Merzbrück startete die Grünen-Politikerin zu einem Rundflug über das Rheinischen Revier, ganz CO2-frei und leise mit einem kleinen Elektroflieger. Anlass war die Übergabe eines ersten Förderbescheides für das „Production Launch Center Aviation“.

Komponenten für nachhaltige Triebwerke am Forschungsflugplatz Aachen-Merzbrück zu entwickeln und zu fertigen, das war im Juni 2021 die Gründungsidee des „Production Launch Center Aviation“ durch das Forschungsinstitut Access und das Fraunhofer IPT. Bereits im März 2021 rief das NRW-Umweltministerium das Branchennetzwerk „AeroSpace.NRW“ ins Leben, das nun unter dem Titel „NRW auf dem Weg zur klimaneutralen Luftfahrt“ zum Netzwerktreffen nach Aachen eingeladen hatte. In diesem Rahmen wurde der Förderbescheid übergeben, nach dem Rundflug der Ministerin.

Mona Neubaur, NRW-Wirtschaftsministerin sitzt im Cockpit eines kleinen Flugzeuges.
© Tomas Rodruigez / Zukunftsagentur Rheinisches Revier
Flog klimaneutral über das Rheinische Revier: NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur.

„Ohne Teile aus NRW kann keiner fliegen“, sagte Prof. Thomas Prefi von der RWTH Aachen. NRW spielt also eine nicht unerhebliche Rolle im weltweiten Flugverkehr, der täglich eine Milliarde Liter Kerosin verbraucht. Die Errungenschaft, dass Flugzeuge elektrisch fliegen können, stellt er nicht in Frage, sieht aber durch Batteriegewicht und Ladezeiten hier nur eine Zukunft im Kurzstreckenbereich. Damit die Luftfahrt nachhaltiger und umweltfreundlicher wird, müssen verschiedene Ansätze verfolgt werden. „Wir brauchen neue Triebwerke, die bis zu 20 Prozent Ersparnisse bringen können“, so Prefi. Und bei der Entwicklung neuer Materialien muss an die Grenze dessen gegangen werden, was machbar ist, um die Flugzeuge leichter zu machen.

Ort all dieser bahnbrechenden Entwicklungen: Aachen-Merzbrück. Insgesamt 53,66 Millionen Euro aus Strukturstärkungsmitteln für das Rheinische Revier sind für die Förderung des „Production Launch Center Aviation“ vorgesehen. Bis 2026 werden sich am Flughafen zehn Unternehmen und acht Wissenschaftseinrichtungen ansiedeln, die fünf Strukturwandelprojekte umsetzen. Ein Ökosystem aus Wissenschaft und Wirtschaft mit über 1.000 Arbeitsplätzen soll hier entstehen. Der erste Förderbescheid über 8,36 Millionen Euro wurde nun für das Teilprojekt „EcoCastAero“ übergeben.

„Ich glaube nicht an eine Welt ohne Fliegen, aber ich glaube genauso fest an eine Welt des Fliegens, die klimaneutral und leiser sein wird“, sagte Neubaur bei der Übergabe. Hierbei seien Batterien und E-Fuels nicht die alleinige Lösung, vielmehr brauche es neue Leichtbauweisen und Innovationen. Mit den 8,36 Millionen Euro wird eine Gussanlage aufgebaut, mit der neue Werkstoffe und Fertigungstechnologien für Triebwerke entwickelt, erforscht und anschließend angewandt werden sollen. Komplexere Gussstrukturen können zu anderen Bauweisen und damit zu weniger Kraftstoffverbrauch und weniger Lärmbelastung führen. Forschung, Wissenschaft und Wirtschaftsunternehmen ziehen hierbei im Rheinischen Revier gemeinsam an einem Strang.

Kleinflugzeuge auf dem Forschungsflugplatz Aachen-Merzbrück
© Tomas Rodruigez / Zukunftsagentur Rheinisches Revier
Kleinflugzeuge auf dem Forschungsflugplatz Aachen-Merzbrück

Auch die Weiterentwicklung von klimafreundlichen Triebwerken soll in Merzbrück vorangetrieben werden. Dabei werden drei verschiedenen Ansätze verfolgt. Zum einen geht es um die Weiterentwicklung des Getriebefan-Triebwerks, das bereits jetzt weniger Kerosin bei verminderter Lautstärke verbraucht als herkömmliche Triebwerke. Der Getriebefan soll nun weiterentwickelt und modifiziert werden, damit er auch mit klimafreundlicheren Kraftstoffen betrieben werden kann, wie Wasserstoff oder Flugkraftstoffen, die ohne fossile Ausgangsmaterialien hergestellt werden, den sogenannten Sustainable Aviation Fuel (SAF).

Ein weiterer Lösungsansatz ist das gasturbinenbasierte Antriebskonzept Water-Enhanced Turbofan (WET). Dabei wird die Restwärme aus dem Abgas des Triebwerks genutzt, indem Wasser verdampft und in die Brennkammer eingespritzt wird. Das hierfür notwendige Wasser wird in einem Kondensator mit anschließender Wasserabscheidung aus dem Abgas gewonnen. Durch die Rückgewinnung der Abgaswärme werden CO2- und NOx-Emissionen reduziert. Die Markteinführung ist für 2035 geplant.

 

In Merzbrück soll auch ein Antrieb entwickelt und erprobt werden, der ab 2050 im Kurz- und Mittelstreckenbereich zum Einsatz kommen soll: der elektrische Antrieb Flying Fuel Cell (FFC). Eine Brennstoffzelle treibt hierbei über einen hocheffizienten Elektromotor den Propeller an. Ausgestoßen wird lediglich Wasser, der Propeller ist die einzige Lärmquelle.

Die Politik ist von dem Erfolg des „Production Launch Center Aviation“ überzeugt. Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen erhofft sich einen „Wahnsinnsschub“ und, dass die klugen Köpfe in der Region gehalten werden können. Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier sieht Merzbrück als Keimzelle und ist überzeugt, dass die Region dazu prädestiniert ist, ein maßgeblicher Standort für die Luftfahrt zu werden. Ministerin Neubaur sieht das Projekt als eine große Chance: „Das neue Netzwerk ist eine Einladung zu kollaborieren statt zu konkurrieren.“