Bestandsentwicklung
Mönchengladbach: Vorbild für andere Großstädte
Der Tagebau Garzweiler liegt im Süden von Mönchengladbach. Der auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg wirkt sich ganz konkret auf das Stadtgebiet aus, da dadurch wesentlich weniger Fläche abgebaggert wird als ursprünglich geplant. Mönchengladbach steht dem Tagebau seit den 1980er Jahren kritisch gegenüber und begrüßt diese Entscheidung. Doch nun gilt es, die veränderten Bedingungen in die bereits bestehenden Ideen und Pläne einfließen zu lassen. Durch das vorgezogene Aus für den Tagebau gestaltet sich das Ufer des Sees, der innerhalb von 40 Jahren entstehen soll, nur ganz anders als zunächst angedacht. Zudem fällt weniger Abraum an, der verfüllt werden kann. Als Oberzentrum und einzige Großstadt im Rheinischen Revier hat Mönchengladbach aber noch eine Rolle als urbanes Reallabor, die weit über das Tagebauumfeld hinausgeht. Es gibt viel Arbeit für das fünfköpfige Team der Stabsstelle Strukturwandel.
Neues Energiekonzept
Wie wird mit bestehenden Gewerbeflächen umgegangen? Welche Nachhaltigkeitskriterien müssen neue Gewerbeflächen erfüllen? Und wohin soll der Flughafen entwickelt werden? Das sind nur drei der zahlreichen Fragen, mit denen sich die Raumplanerin und Wirtschaftsgeografin Marja Vogtel beschäftigt. Sie betreut in Mönchengladbach die Themen Raum und Energie. Die Stadt will den Transformationsprozess des Energiesystems für Mönchengladbach selbst aktiv gestalten, deshalb arbeitet Vogtel seit Anfang 2023 an einem neuen Konzept. „Mit dem Ziel einer integrierten kommunalen Energiewendestrategie“, so Vogtel. Parallel soll untersucht werden, ob es möglich ist, Tiefengeothermie für die Wärmeversorgung zu nutzen. Für Vogtel ist die Arbeit in der Stabsstelle Strukturwandel eine reizvolle Aufgabe: „Aktiv an der gewaltigen Transformationsaufgabe hin zu einem nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensraum mitwirken zu können, ist für mich eine besondere Chance.“
Lieblingsplätze im Revier: Am Aussichtspunkt am Tagebau Garzweiler in Hochneukirch bin ich jedes Mal aufs Neue über die Dimension dieses Eingriffs in der Landschaft erstaunt. Dort wird mir immer wieder klar, wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam an der Neugestaltung des Raums und der Transformation des Wirtschafts- und Energiesystems arbeiten, damit aus dieser „Wunde“ etwas Gutes für die Region wird.
Bauwesen als Hebel
Die Themenfelder nachhaltiges Bauen, Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft, Umgang mit der Ressource Fläche und die Herausforderung der Bestandssanierung gehören zu den Themenschwerpunkten von Anette Harings. „Im Bauwesen liegt ein wichtiger Hebel für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele“, so die Projektkoordinatorin. Als kommunale Bauherrin habe Mönchengladbach hier Verantwortung und Vorbildfunktion und wolle mit Modellprojekten diese Herausforderung annehmen. Kein einfaches Unterfangen, denn in der Bauwirtschaft ist die Preisentwicklung unkalkulierbar, Ressourcen sind knapp, und es mangelt an Fachkräften. Zudem sollen Gebäude nicht nur energieeffizient, sondern auch nachhaltig und kreislauffähig gebaut oder saniert werden. „Daher ist es wichtig, möglichst viele Akteure zu motivieren und Lösungen aufzuzeigen“, sagt Harings. Dies gehe am besten mit praxistauglichen Beispielen und kompetenter Vernetzung. Ideen und Lösungen gemeinsam mit anderen zu finden, zu fördern und zu unterstützen, motiviert die Projektkoordinatorin. „Denn nur, wenn wir die Veränderungen gemeinsam und schneller als bisher umsetzen, können wir für die kommenden Generationen eine gute Zukunft sicherstellen.“
Lieblingsplätze im Revier: Anstatt einem Lieblingsort sehe ich eher Inspirationsorte, die mir immer wieder die zwingende Notwendigkeit der Transformation für Wirtschaft und Gesellschaft vor Augen halten und gleichzeitig die riesige Chance für unsere Region aufzeigen. Der Tagebau in seiner brutalen Gegensätzlichkeit zur niederrheinischen Natur- und Kulturlandschaft ist sicherlich einer dieser Orte.
Bildung für die Zukunft
Der Aufgabenschwerpunkt von Elke Ariëns sind die Themen Innovation und Bildung. Für die Geisteswissenschaftlerin liegt hier eine große Herausforderung. „Wir wissen heute noch gar nicht so recht, für welchen Arbeitsmarkt und welche Berufsbilder von morgen wir qualifizieren und vorbereiten sollen.“ Das ist aber ihrer Auffassung nach die notwendige Voraussetzung, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, künftig Arbeitslosigkeit zu verhindern und die ökologisch-nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu stemmen. Zudem müsse die Förderung früher, bereits im schulischen und vorschulischen Bereich erfolgen. „Wenn wir für die Zukunft bilden und ausbilden wollen, müssen wir hier auch ansetzen.“ Die Herausforderungen sind vielfältig, doch die Motivation der langjährigen Projektentwicklerin und -managerin ist ungebrochen. „Durch den Kohleausstieg und die politisch-finanziellen Rahmenbedingungen haben wir hier im Revier die Möglichkeit, Szenarien für die Zukunft zu entwickeln und durchzuspielen – gerade im urbanen Kontext einer Großstadt wie Mönchengladbach kann ich mir kaum etwas Spannenderes vorstellen.“
Lieblingsplätze im Revier: morgens früh bei Sonnenaufgang auf dem Weg zur Arbeit von Aachen nach Mönchengladbach die A 44 hochfahren
Langjährige Erfahrung
Martina Delbos unterstützt bei der Qualifizierung von Förderprojekten, und kleineren bürgerschaftlichen Projekten sowie bei allgemeinen Verwaltungsaufgaben. Seit 2020 ist die Verwaltungsangestellte in der Stabsstelle Strukturwandel tätig. Hier profitieren die Kolleginnen und Kollegen von ihrer langjährigen Erfahrung aus verschiedenen Bereichen der Verwaltung. Mit dieser Erfahrung das Team Strukturwandel zu unterstützen, ist eine große Motivation von Delbos. „Und dabei zu sein, wie neue Ideen entstehen, wie nachhaltige Lösungen für unsere Zukunft gefunden und realisiert werden.“
Lieblingsplätze im Revier: Der Skywalk Tagebau Garzweiler ist schon beeindruckend und zugleich wird bewusst, wie notwendig unsere Arbeit für das Revier und die zukünftige Entwicklung ist.
Nachhaltiges Flächenmanagement
Anna Vetter hat Geographie mit den Schwerpunkten Governance und Raum sowie Stadtentwicklung studiert. Seit Anfang 2023 ist sie als Projektmanagerin zuständig für das Kommunale Modellvorhaben (KoMoNa) zur Entwicklung eines nachhaltigen, digitalbasierten Flächenmanagements verbunden mit ökologischen Maßnahmen. Vetter ist mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet aufgewachsen und hat klare Vorstellungen von der Aufgabe im Rheinischen Revier: „Wir müssen die notwendigen und unausweichlichen Veränderungen ganzheitlich und nachhaltig gemeinsam denken und anpacken. Mit dem komplexen und zukunftsgerichteten Projekt der Entwicklung eines nachhaltigen Flächenmanagements kann es in die richtige Richtung gehen.“
Lieblingsplätze im Revier: Der Blick in die Tagebaue, bei dem mir immer wieder das Ausmaß und der Eingriff in Natur und Landschaft der vergangenen und auch noch laufenden Energie- und Wirtschaftspolitik deutlich werden. Gigantisch und erschreckend. Schon jetzt bilden die vielen Windräder zwischen den Tagebauen einen deutlichen Kontrast. Ich bin gespannt, wo die Reise dieses Raums mit seiner Natur- und Kulturlandschaft hingeht.
Schon seit tausenden von Jahren ist das Gebiet von Mönchengladbach besiedelt, davon zeugen Funde aus der Steinzeit. Später ließen sich hier die Römer nieder, auch das ist archäologisch nachgewiesen. Der Fund des Schädelknochens des Heiligen Vitus führte schließlich zur Gründung eines Klosters, es entstand eine Marktsiedlung und in den 1360er Jahren erhielt Mönchengladbach, auch oft Vitusstadt genannt, die Stadtrechte.
Die Wirtschaftsgeschichte Mönchengladbachs ist geprägt durch den Aufstieg der Textilindustrie (sowohl Webereien als auch Textilmaschinenbau) im 19. Jahrhundert, die der Stadt den Beinamen „Rheinisches Manchester“ einbrachte und bis Mitte des 20. Jahrhunderts die wichtigste Wirtschaftsbranche der Stadt blieb. Bis heute prägt die Textilwirtschaft Mönchengladbach – sei es mit dem entsprechenden Studiengang der Hochschule Niederrhein, der renommierten Textilakademie oder dem Projektvorhaben „Textilfabrik 7.0“, mit dem die Geschichte des Textilstandortes Mönchengladbach fortgeschrieben und dieser in eine nachhaltige Zukunft geführt werden soll.
Gladbach bedeutet „heller glänzender Bach“. Allerdings sind im Laufe der Jahre alle in Mönchengladbach entspringenden Gewässer vom Braunkohletagebau beeinflusst. 1300 wird die Marktsiedlung in Abgrenzung von anderen Orten desselben Namens Monich Gladebach genannt. Der Zusatz „Mönchen“ geht auf die Klostermönche zurück. Monichgladebach, Moenchsgladbach, Monnike Gladbeeck, Munneke Glebbek – es sind zahlreiche unterschiedliche Schreibweisen des Stadtnamens bekannt.1888 wurde Gladbach kreisfrei und erhielt den Namen München-Gladbach. 1950 kam die Änderung in Mönchen-Gladbach, um Verwechslungen mit München zu vermeiden. 1960 fiel schließlich der Bindestrich weg.
Der vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohle stellt das Rheinische Revier vor große Herausforderungen. Die Strukturwandelmanagerinnen und -manager begleiten in den Kommunen die Weiterentwicklung der Region und unterstützen bei der Entwicklung, Qualifizierung und Umsetzung von Förderprojekten. Dabei stehen sie miteinander in engem Austausch, um eine abgestimmte Entwicklung der Region zu gewährleisten. Zwei der beschriebenen Stellen werden gefördert und sind Teil des „Entlastungspakets Kernrevier“ des Landes Nordrhein-Westfalen. Eine weitere Mitarbeitende wird über das „Kommunale Modellvorhaben zur Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele in Strukturwandelregionen“ (KoMoNa) des Bundes finanziert.