Strukturwandel made in Rommerskirchen

„Unsere Aufgabe ist es, neue Ideen mit in die Verwaltungen zu bringen“, fasst Volker Ganse die Tätigkeit der Strukturwandelmanagerinnen und -manager zusammen. Im Gespräch mit Moderator Torsten Knippertz erklärt der studierte Physiker und ehemalige Unternehmensberater die Problematik des Strukturwandels im Rheinischen Revier und welche konkreten Aufgaben sich daraus für Rommerskirchen ergeben.

Da ist zum Beispiel die Frage, was mit dem Braunkohlekraftwerk Neurath passiert, wenn es abgeschaltet wird. „Dafür brauchen wir jetzt schon Antworten“, sagt Ganse. Als Vater von drei Kindern hat er sich ganz bewusst für die Stelle als Strukturwandelmanager entschieden, um die Zukunft der Region aktiv mitzugestalten.

Volker Ganse (l.) und Torsten Knippertz im Studio bei der Aufnahme des Podcasts
© Projektträger Jülich
Volker Ganse (l.) und Torsten Knippertz im Studio

Ein Thema, dass ihm besonders am Herzen liegt, ist der Gillbach, der 28 Kilometer durch Rommerskirchen, Bergheim und Grevenbroich fließt. Der Bach versiegte, nachdem das Quellgebiet mit dem Tagebau Fortuna abgebaggert wurde. Aus den Abwässern des Kraftwerks von Niederaußem entstand der heutige Bach, der seit 1996 mit Fördermitteln zu mehr als einem Drittel umfangreich renaturiert wurde. Es entstanden biologisch wertvolle Ufer und Auen. „Das ist unsere Herzensangelegenheit, denn wenn das Kraftwerk Niederaußem abgeschaltet wird, gibt es auch kein Kühlwasser und damit auch keinen Gillbach mehr.“

Über 60 Strukturwandelmanagerinnen und -manager gestalten im Rheinischen Revier die Zukunft. „Ich glaube, darüber haben wir auch einen Hebel, die Kommunen etwas mehr zusammenzubringen, den Wandel gemeinsam zu denken.“ Dass der Strukturwandel gelingt, daran hat Ganse keinen Zweifel. „Wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, dann auf jeden Fall. Wir sind Rheinländer, wir schaffen alles, wir haben auch die Vergangenheit super hingekriegt, oder?“

Ganse: Strukturwandel ist ein sehr weites Feld. Was wir machen, wir wissen, dass wir aufgrund des Klimawandels, der Energiekrise, dem Ausstieg aus der Braunkohle, die dadurch natürlich gekommen ist, uns verändern müssen im Rheinischen Revier. Und diese Veränderung, wie vielfältig wie sie auch ist, ist eine Riesenchance, aber auch eine große Bürde zugleich. Und ich wollte die Chance nutzen und die Bürde, wenn es geht, verschwinden lassen und das Rheinische Revier mit in die Zukunft führen, meinen Anteil dazu beizutragen.

 

Ton: Musik

 

Knippertz: Hi und hallo, herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von unseren Revier.Geschichten. Mein Name ist Torsten Knippertz und – vielleicht geht es Ihnen ja auch so – beim Wort Strukturwandel wird mir immer so ein bisschen schummrig, weil man damit ja nicht so konkret etwas anfangen kann. Wandel, Veränderung, Zukunftspläne, Visionen. Kann man das nicht vielleicht irgendwie ein bisschen konkreter fassen? Doch, kann man oder man kann es zumindest versuchen. Heute spreche ich nämlich mit jemandem, der diesen Strukturwandel managen soll und auch managen will, mit einem Strukturwandelmanager. Er heißt Volker Ganse, ist 54 Jahre alt, Vater von drei Kindern und seit knapp zehn Monaten Strukturwandelmanager in Rommerskirchen. Das liegt ungefähr auf halbem Weg zwischen Köln und Mönchengladbach. Kenne ich gut, bin eben mit dem Zug hierhin gekommen, dann hieß es, nächster Halt Rommerskirchen. Volker Ganse ist einer von insgesamt 61 Strukturwandel- und Nachhaltigkeitsmanagern.B Ein bisschen vom frischen Wind habe ich im Vorgespräch schon geführt, denn Volker Ganse sitzt mir jetzt erstens gut gelaunt gegenüber im Studio und wir kennen uns, habe ich gehört. Erstmal herzlich willkommen, Volker.

 

Ganse: Ja hallo Knippi. Danke für die Einladung. Freut mich, dass du mich nach Köln eingeladen hast, sonst sehen wir uns ja eher ein bisschen weiter nördlich meistens.

 

Knippertz: Ja und „Knippi“ daran merkt man schon, wir kennen uns aus dem Fußballbereich. Wir haben uns nämlich schon mal das Du angeboten. Deswegen duzen wir uns jetzt auch im Podcast. Wo war es genau noch mal?

 

Ganse:Ja, das war in Rom. Sensationelle Fahrt nach Rom mit der ganzen Borussia, mit unserer Mannschaft. Ich glaube, das Spiel war jetzt nicht so ganz, aber trotzdem, es hat Spaß gemacht. 10.000 Leute auf der Spanischen Treppe. Es war ein wahres Hochgefühl.

 

Knippertz: Ja, richtiges Hochgefühl. Da war auch frischer Wind drin. Auf jeden Fall. Und wir bleiben bei genau diesem. Du sollst auch frischen Wind reinbringen als Strukturwandelmanager. Was macht man da genau?

 

Ganse: Das ist eine gute Frage. Man macht vieles und weniges eigentlich auch. Als ich damit angefangen habe, habe ich gesagt Strukturwandel, ja, was ist denn das eigentlich, wusste es genauso wenig wie wahrscheinlich jetzt die Zuhörer auch, und musste mich da auch erstmal mit befassen, weil Strukturwandel ist ein sehr weites Feld. Was wir machen, wir wissen, dass wir aufgrund des Klimawandels, der Energiekrise, dem Ausstieg aus der Braunkohle, die dadurch natürlich gekommen ist, uns verändern müssen im Rheinischen Revier. Und diese Veränderung, wie vielfältig wie sie auch ist, ist eine Riesenchance, aber auch eine große Bürde zugleich. Und ich wollte die Chance nutzen und die Bürde, wenn es geht, verschwinden lassen und das Rheinische Revier mit in die Zukunft führen, meinen Anteil dazu beizutragen.

 

Knippertz: Du hast gerade gesagt, „wir“. Es sind ja insgesamt 60 Strukturwandelmanagerinnen und -manager. Die kommen alle aus der Wirtschaft und nicht aus der Verwaltung, alle aus der Wirtschaft wie du?

 

Ganse: Ich glaube, sie kommen nicht alle aus der Wirtschaft. Sie kommen teilweise auch aus verschiedenen Berufen, die nicht wirtschaftlicher Struktur waren. Die kommen auch teilweise aus Verwaltungen. Aber der Großteil ist, soweit ich das abchecken kann – wir kennen uns ganz gut alle mittlerweile, wir vernetzen uns natürlich auch, ziehen am gleichen Strang, entwickeln gemeinsam Ideen – ist schon ein sehr buntes Feld unserer Strukturwandelmanager und ich glaube, das ist auch das Ideale, dass wir so eine Mischung hinkriegen und nicht nur Wirtschaftsmenschen haben, nicht nur Verwaltungsmenschen, sondern eine Mischung haben. Und die macht es am Ende des Tages auch aus.

 

Knippertz: Du musst aber trotzdem natürlich mit Verwaltungen zusammenarbeiten, mit der eigenen in Rommerskirchen, aber auch mit Nachbarkommunen und mit dem Land, oder?

 

Ganse: Ja, wir arbeiten auf allen Ebenen. Also ich würde es gerne noch erweitern, auch mit der Bundesregierung müssen wir, sind wir weit davon weg, aber letztendlich das, was dort beschlossen wird, hat Einfluss auf uns, auf unsere Entscheidungen. Genauso mit der Landesregierung, den verschiedenen Ministerien. Und dann geht das immer weiter runter unser föderales System, bis wir dann in Rommerskirchen gelandet sind. Und in Rommerskirchen ist unsere Aufgabe, auch diesen ganzen Strukturwandel mit in die Verwaltung zu bringen, die neuen Ideen in die in die Verwaltung zu bringen und auch die neuen, ja, ich sage mal, Aufgaben, die wir da entwickeln müssen, dann auch so in die Verwaltung zu bringen, dass wir die auch schaffen.

 

Knippertz: Neue Aufgaben, neue Ideen. Du hast eben gesagt, man macht sehr viel, aber auch sehr wenig. Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, was konkret das ist. Was genau musst du, müsst ihr managen?

 

Ganse: Also wenn wir den Strukturwandel für unsere Region gemeinsam denken wollen, dann ist das natürlich… irgendwann fängt das in der einzelnen Kommune an, das heißt, wir machen uns in Rommerskirchen Gedanken, was brauchen wir, damit wir Rommerskirchen im Verbund des Rheinischen Reviers in die Zukunft führen, was bedeutet Strukturwandel für Rommerskirchen. Das Erste, was wir dann sehen, ist, was verändert sich in Rommerskirchen, und das ist das Braunkohlekraftwerk Neurath hauptsächlich. Das Braunkohlekraftwerk Neurath wird irgendwann vom Netz gehen, spätestens dann, wenn keine Kohle mehr kommt oder wenn die Politik beschließt, jetzt wollen wir wirklich aus der Braunkohleverstromung aussteigen. Und für diesen Zeitpunkt brauchen wir Antworten. Wie kriegen wir unsere Arbeitsplätze gesichert? Welche Strukturen haben wir? Wie leben wir eigentlich? Das ist so der direkte Blick auf Rommerskirchen. Der geht natürlich deutlich weiter, weil wenn ich mir angucke, was passiert im Rheinischen Revier, wir machen nicht an dem Kraftwerk halt, sondern wir gehen natürlich auch darüber hinaus. Wir sind an einem Drehkreuz zwischen, ich sag mal, der Forschungslandschaft, die auf der einen Seite vom Rheinischen Revier steht, mit der RWTH, mit dem Forschungszentrum Jülich, auf der anderen Seite Düsseldorf, Köln mit ihren Hochschulen, Mönchengladbach. Wir sind umzingelt von quasi einem Forschungsstandort und wir haben unheimlich gute Produktionskapazitäten dort, wenn wir nur mal die Aluminiumindustrie nehmen, die Ernährungsindustrie, und sind auf der geographischen Seite dann auch noch so genau auf der Schnittstelle, Verbindung zur Rheinschiene, Verbindung zum Rheinischen Revier. Also wir fühlen uns schon sehr potent, aber wir müssen es genau fassen, was ist denn das und was brauchen wir. Und da sind wir gerade dabei. Das ist für uns erstmal Strukturwandel.

 

Knippertz: Und Strukturwandel heißt, alte Strukturen – wir haben eben kurz das schon angerissen – müssen aufgebrochen werden. Bist du optimistisch, dass das klappt, klappen kann?

 

Ganse: Ich bin ein sehr optimistischer Mensch, aber es ist natürlich eine Herausforderung. Und die Herausforderung ist ja genau das, was ich auch gesucht habe, als ich da eingestiegen bin. Wenn ich mir jetzt angucke, wir haben einen Wahlspruch in Rommerskirchen, „Entspannt leben, erfolgreich arbeiten“, das will ich nicht verändern, das ist eine Struktur, die passt. Da kann sich, glaube ich, jeder – du vielleicht auch – kann sich jeder mit identifizieren, würde man immer gerne machen und das wollen wir uns bewahren. Auf der anderen Seite haben wir natürlich einfach das Tagesgeschäft auch. Wenn ich mir den Strukturwandel angucke, was es braucht ist, wir brauchen eine gewisse Kapazität in den Verwaltungen, die auch neue Dinge, die weiter in der Zukunft liegen, einfach mal mitdenken können, losgelöst von den alten Verwaltungsprozessen. Die sind sehr starr, die sind sehr eng. Und wir haben hier eigentlich ein Projekt, wo unheimlich viele gerade Wirtschaftsunternehmen sehr kreativ werden, neu denken, neue Wege gehen wollen. Und diese Dynamik passt nicht. Das müssen wir ein bisschen ausfedern und das müssen wir aber mittelfristig angleichen. Und auf der anderen Seite, alles, was wir tun wollen, kostet Geld. Und wenn wir Geld haben wollen, dann gibt es ja, ich sage mal, sehr, sehr viele Fördertöpfe, die wir annehmen könnten, wo wir dann unsere Projekte auch mit finanzieren könnten. Aber der Gedankengang ist eigentlich ein falscher. Das zeigt sich immer mehr, je länger wir hier im Rheinischen Revier zusammenarbeiten. Bisher wird so gedacht, dass man sagt, es gibt von der Politik her bestimmte Fördergegenstände, die sinnvoll wären für einen Strukturwandel im Rheinischen Revier. Diesen müssen wir dann gerecht werden. Aber vielleicht passt da gar nichts auf Rommerskirchen, vielleicht auch nicht auf unsere interkommunalen Bereiche. Lasst uns das Ganze doch mal andersherum denken, lasst uns doch mal denken von dem Bedarf vor Ort. Das kann eine Kommune sein, das kann ein Verbund von Kommunen sein, das kann ein Unternehmen sein. Was braucht dieser, dieses Teil oder, ich sag mal, dieser Akteur, um erfolgreich zu sein? Das müssen vielleicht nicht die in Anführungsstrichen immer in der Presse kolportierten Milliarden sein. Das können auch kleinere Elemente sein, die wir heute aber nicht fördern können oder nicht umsetzen können, weil wir die passenden Töpfe nicht haben.

 

Knippertz: Hört sich aber auf jeden Fall nach dicken Brettern an, die man noch bohren muss. Mammutaufgabe. Vorher aber mal etwas Persönliches. Du bist ja studierter Physiker, hast lange als Geschäftsführer und Berater in der freien Wirtschaft gearbeitet, bist Experte für Projektmanagement. Wie wird man dann Strukturwandelmanager?

 

Ganse: Da muss man ein bisschen früher anfangen. Also ich habe dann irgendwann in einem Jahr, ich sage mal, vor knapp jetzt sieben, acht Jahren, mich entschieden, für meine Kinder da zu sein und bin alleinerziehender Vater geworden. Und in der Zeit war halt eine Unternehmensberatung all das, was ich getan habe, jetzt nicht mehr ganz so angesagt, weil da war dann eher die Windel und die Schule und der Kindergarten und all das, was so kam und all die kleinen Wehwehchen war angesagt, sodass ich da gesagt habe, ich war sehr, sehr lange oder wir beide eigentlich waren sehr, sehr lange karrieremäßig unterwegs, haben viel getan, hat viel Spaß gemacht, hat uns auch viel gebracht. Aber jetzt ist der Zeitpunkt, vielleicht mal etwas Anderes zu denken und eher den menschlichen Teil und die eigenen Kinder nach vorne zu setzen. Und diese Erfahrung mit den Kindern hat mir gezeigt, du musst mehr lokal machen, du musst dich dafür einsetzen, dass auch unsere Kinder noch eine gute Zukunft im Rheinischen Revier haben. Und wenn man das tut und da kommt so eine Stelle Strukturwandelmanager um die Ecke, da muss man zubeißen, oder?

 

Knippertz: Und das hast du zugebissen.

 

Ganse: Genau.

 

Knippertz: Und ich sage mal, drei Kinder sind schon als Paar herausfordernd. Alleinerziehend muss man ganz viele Sachen auch unter einen Hut bringen. Vielleicht gibt es da sogar Parallelen. Du bist aber auch von deinen alten Stellen schnelles Arbeiten gewöhnt, flexibles Arbeiten. Das sind wahrscheinlich auch Stärken, die du als Strukturwandelmanager einbringen kannst.

 

Ganse: Stärken ja, aber auch Schwächen. Man hat mir immer mal gesagt, Volker, du denkst so schnell, du überspringst immer drei Schritte, du musst dein Umfeld mitnehmen. Ich glaube, das ist das, was ich heute auch noch merke. Ich bin ein ungeduldiger Mensch und ich würde gerne drei Schritte auf einmal gehen. Und ich glaube, dass sie da sind, birgt die Gefahr, dass man was vermisst oder das mal was auslässt. Aber es birgt auch die Gefahr, dass man die anderen nicht mitnimmt. Und ich glaube, das ist im Strukturwandel ganz wichtig, dass ich da die Stärke raushole, Dinge auch dann vernünftig zu denken, vernünftig erstmal zu strukturieren, dann aber auch plausibel zu machen und diese Schwäche nach hinten bringe. Insofern ja, ich glaube, dass mein Vorleben, angefangen mit der Physik, so früh wie es war, also ist ja eher so die Klammer am Anfang, die mir gezeigt hat, wie denkt man, wie analysiert man Probleme, wann, wie baut man Lösungen. Das ist das Werkzeug, was wir heute auch brauchen.

 

Knippertz: Du hast gerade davon gesprochen, drei Schritte vor… oder den dritten Schritt vor dem ersten. Da muss man sich selbst, glaube ich, ein bisschen zurücknehmen. Hattest du da nicht Angst, dass man da andere Menschen zum Beispiel überfordert, die in etwas starreren Strukturen arbeiten?

 

Ganse: Doch, aber ich habe in der Vergangenheit das Glück gehabt, dass ich ein Umfeld hatte, was mich darauf hingewiesen hat, egal wie meine Rolle war und egal, wie die Beziehungen zueinander waren. Und das hat mir sehr geholfen. Das mag in der konkreten Situation immer noch schwierig sein, weil, wir sind ehrlich, der Strukturwandel, der ist noch lange, aber eigentlich haben wir jetzt schon keine Zeit mehr. Das ist so eine komplexe Situation. Wenn ich mir die ganzen Krisen angucke, die wir haben, mit dem Klimawandel, mit der Energiekrise, wir haben eine Ressourcenkrise, wir haben eine Mobilitätswende vor der Tür, wir haben unendlich viele Baustellen. Und das setzt eigentlich die Gesellschaft schon unter Druck und damit uns natürlich auch, und das macht es ein bisschen schwieriger mit dem zwei Schritte zurück und nochmal langsam nach vorne gehen.

 

Knippertz: Also du hattest keine Angst davor, dass vielleicht Menschen in der Verwaltung überfordert werden?

 

Ganse: Ja, Angst davor habe ich natürlich schon, aber man muss alle mitnehmen und das ist so die Herausforderung, die ein Strukturwandelmanager auch hat. Und da bin ich sehr dankbar, dass wir dieses Netzwerk unter uns haben, weil das ist in jeder Verwaltung unterschiedlich. Verwaltungen sind auch unterschiedlich, unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Strategien, unterschiedliche Historie. Und ich glaube, dieses Gemeinsame, das ist das Entscheidende, was wir hinkriegen müssen und von den anderen auch lernen, uns auch öffnen für die Erfahrung der anderen. Wir müssen nicht alle das Gleiche tun, wir können voneinander profitieren. Und das ist sicherlich noch ein bisschen schwieriger. Das ist eher nicht das klassische Denken, im föderalen System generell nicht, von oben bis unten nicht.

 

Knippertz: Als du dann zugebissen, zugegriffen hast beim Strukturwandelmanager… du hast schon durchklingen lassen, dass auch deine Kinder oder die Zukunft deiner Kinder dir da wichtig war, auch die Zukunft deiner Kinder, was speziell das Rheinische Revier betrifft, also die Zukunft des Rheinischen Reviers, oder hat das weniger eine Rolle gespielt?

 

Ganse: Ja, es spielt natürlich eine Rolle, dass man erstmal davon ausgeht – ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber du hast ja auch Kinder – die Kinder bleiben vielleicht hier und die wollen vielleicht hier auch ein gutes Leben, also entspannt leben, erfolgreich arbeiten. Ich bringe es nochmal in Rolle. Wir haben übrigens noch Baugebiete, also von daher, wir können auch gerne noch Leute aufnehmen, sehr innovative Dinge auch dabei, aber das nur am Rande. Also, was ich sagen will, es ist eigentlich eine schöne Region zum Leben, das ganze Rheinische Revier, aber Rommerskirchen an sich eigentlich auch. Ich fühle mich da wohl. Ich war viel unterwegs, aber ich fühle mich da wohl. Und deswegen hätte ich ganz gerne, dass sie zumindest die Option haben, hier schön zu leben, vernünftig zu arbeiten. Ob Sie das dann wollen, das weiß ich auch nicht. Das werden sie dann selber entscheiden. Aber man merkt schon, dass, wenn man über diese ganzen Themen mit ihnen redet – und sie sind jetzt elf Jahre alt und meine älteste Tochter zwölf... Also wenn man da drüber mit denen redet, da kommt schon viel an. Die machen sich jetzt in den jungen Jahren eigentlich schon Gedanken auch um ihre Zukunft und nicht erst seit Fridays for Future. Die haben die Affinität und das ist, glaube ich, dann auch die Triebfeder, dass man sagt, das, was wir hier schaffen, ist ja nicht nur für uns relevant, sondern eigentlich für die gesamte Gesellschaft.

 

Knippertz: Stimmt. Und ich kann es wirklich nachvollziehen. Ich habe auch in Köln, in München, Berlin gelebt und wohne jetzt wieder in meiner Heimatstadt, in Mönchengladbach und fühle mich da auch im Moment sauwohl, muss ich sagen. Deswegen kann ich das sehr gut nachvollziehen. Du klingst sehr motiviert und deswegen kommen wir jetzt auch nochmal ein bisschen konkreter auf deine Arbeit zu sprechen als Strukturwandelmanager. Was genau machst du in der Gemeinde Rommerskirchen? Was ist deine Aufgabe dort?

 

Ganse: Die Aufgabe sind natürlich die Netzwerke ins ganze Revier und auch zu der Regierung. Da haben wir gerade darüber ein bisschen gesprochen. Aber es gibt auch konkrete Dinge. Wir überlegen uns natürlich auch, was brauchen wir, um den nächsten Schritt zu machen in die Zukunft? Und da waren wir relativ sicher, wenn wir uns das angucken, dass wir die Arbeitsplätze, die RWE zur Verfügung stellt heute, verlieren. Dann hängt da ja nicht nur der direkte Arbeitsplatz daran, sondern auch die Folge, also Zulieferindustrie, vom Bäcker angefangen bis zum Maschinenbauer, der Handwerker, alles hängt da dran. Und wenn wir uns das angucken und sagen, wir wollen auch in Zukunft innovative Arbeitsplätze in Rommerskirchen bieten, als einen Schwerpunkt mal, dann müssen wir uns Gedanken machen, wie können wir das schaffen. Und ich glaube, dass es der einzige Weg ist, dass wir das, was wir heute haben, darüber transportieren, indem wir uns ein Zentrum vorstellen, wo wir genau diese Transformation machen. Das heißt, wir holen die neuen Komponenten, die wir brauchen, da rein, verbinden sie mit den alten, bringen alle möglichen Akteure oder Menschen miteinander zusammen, um darüber gemeinsam nachzudenken und dann auch die richtigen Schritte zu machen. Das ist das, was wir „Rommerskirchen Innovation Cradle“ genannt haben, was wir gerne gefördert hätten. Aber das gestaltet sich auch wieder schwierig. Und ja, das sind so Dinge, wo wir sagen, das – was ich eben meinte – das haben wir nach Analyse rausgekriegt, das brauchen wir, um zumindest die Arbeitsplätze, um die kulturellen Seiten, um die Menschen mitzunehmen. Ich glaube halt im Strukturwandel wir müssen die passenden Dinge tun und die passenden Dinge die sind bei den Leuten im Kopf vor Ort, die sind einfach da. Da muss das Vertrauen der Politik her und sagen, okay, wir sehen es im Big Picture vielleicht anders. Und das Big Picture sollen wir auch nicht außer Acht lassen, das muss zueinander passen. Aber hört mehr auf die vor Ort und schafft denen Wege. Ich habe ein anderes Beispiel noch, wenn ich noch eines sagen darf. Es gibt einen Jungunternehmer, der – du hast eben schon… hast in München gelebt – der auch lange in München gelebt hat und Rommerskirchener Kind ist eigentlich, dort Freunde kennengelernt hat, hat dort, ich sage mal, eine Technologie kennengelernt, eine Produktionstechnologie, die in Deutschland nahezu einzigartig ist, in Kombination mit dem, was er damit tun will. Und dieser Gründer kam zu uns und sagte, ich will jetzt – ich kriege ein Kind – ich würde doch gerne wieder nach Rommerskirchen zurück, habe meine zwei Kollegen überredet, das nicht in München zu tun, sondern hier. Habe ich gesagt, richtig, so würde ich das auch machen. Aber am Ende des Tages, könnt ihr mir helfen? Und wir alle in der ganzen Kommune wollen helfen, vom Bürgermeister angefangen bis zu jedem Mitarbeiter, wir auch. Wir wollen helfen, haben ihm Türen geöffnet in jede Richtung. Aber es gibt keinen passenden Fördertopf. Das ärgert mich.

 

Knippertz: Kannst du verraten, was es für eine Produktionstechnologie ist?

 

Ganse: Das soll der Gründer mal selber machen. Vielleicht ladet ihr den irgendwann mal ein. Ich habe ihm geschworen, ich sage nicht viel dazu.

 

Knippertz: Hat es denn irgendetwas mit dem – wie hast du es eben genannt – „Rommerskirchener Innovation Cradle“ zu tun? Da geht es ja… Cradle ist ja Kreislaufdenken?

 

Ganse: Ja genau.

 

Knippertz: Das muss ja erst mal gebaut werden, habe ich verstanden.

 

Ganse: Das müsste gebaut werden.

 

Knippertz: Da fehlt auch Geld.

 

Ganse: Da fehlt Geld. Und das Geld fehlt nur deswegen, weil wir auch die Fördertöpfe nicht so bedienen können, wie wir es wollen. Aber dieses „Innovation Cradle“, das heißt ja eigentlich „Wiege der Innovation“, also Cradle ist diese Wiege, „Wiege der Innovation“, kommt so ein bisschen auch aus dem Cradle to Cradle-Ansatz, dass wir sagen, wir denken in Kreisläufen, wir entnehmen der Natur etwas, geben es ihr aber wieder zu 100 Prozent zurück, nur das, was wir wirklich brauchen, wir produzieren lokale Kreisläufe. Ich glaube, der Klaus Dosch war auch schon mal dabei. Wir haben mit ihm gesprochen darüber, dass wir auch dieses Gebäude, was wir da bauen wollen, nachhaltig bauen wollen, energieneutral bauen wollen, klimaneutral bauen wollen mit allem, was heute möglich ist, um auch den Bau selber schon zu einem Projekt zu machen.

 

Knippertz: Also das Gelände, was da in Rommerskirchen angesiedelt werden soll, könnte dann sozusagen ein Beispiel für Energieeffizienz, für Kreislaufwirtschaft sein?

 

Ganse: Genau.

 

Knippertz: Co-Working-Spaces hast du angesprochen, 50 bis 100 sind geplant?

 

Ganse: Ja, Co-Working ist ja… gerade wenn man sich das jetzt anguckt, was die Corona-Krise uns gezeigt hat, die Leute können arbeiten, ohne ins Büro zu fahren. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, ich sage mal, in irgendeiner Bürotätigkeit, ich setze mich morgens in dieses Auto, im schlimmsten Fall, im besten Fall in einen vollen Zug und fahre dann eine Stunde nach Köln oder wohin auch immer, um dann die gleiche Tastatur zu bedienen, die ich auch zu Hause bedienen kann. Da muss man darüber nachdenken, ob das zukünftig sinnvoll ist oder ob man nicht Arbeitsmöglichkeiten auch im ländlichen Raum schafft. Und genau da hat auch Co-Working eigentlich in dieser Krise doch einen recht guten Zuwachs gehabt, gerade im ländlichen Raum, sodass wir glauben, wir können da beides miteinander verbinden. Wir können dieses Gebäude auslasten mit diesen Arbeitsplätzen, wir können auch vielleicht, ich sage mal, Forscher, junge Forscher aus dem Forschungszentrum Jülich oder auch von der RWTH zu uns rufen und sagen, arbeitet hier mit der Industrie zusammen, bildet eine Arbeitsgruppe, wir haben den Raum für euch, nicht weit von euch weg und wenn euch da etwas bei gelingt, dann könnt ihr sogar noch bei uns auf die Flächen und könnt dahin gründen. Wir helfen dir auch bei der Gründung. Das war so diese Wiege der Innovation, die wir uns vorgestellt haben. Die können wir aber auch ganz klassisch nutzen, indem wir sagen, wir verändern jetzt die Mobilität.

 

Knippertz: Da gibt es aber auch noch kein grünes Licht?

 

Ganse: Das ist dasselbe Ding, natürlich nicht. Aber wir sind in Gesprächen, wir wollen es nicht aufgeben, weil wir halten es für wichtig. Ich glaube, ihr habt auch irgendwann mal einen Podcast gemacht zum Thema Wasserstoff und ich hatte ein Gespräch mit einem Kollegen oder mit einem Unternehmer, der im Bereich Wasserstoff-Hub vom Rhein-Kreis Neuss auch unterwegs ist. Und wir brauchen diese Gründungszentren. Wir brauchen Zentren, die irgendwo in der Lage sind, den Leuten Raum für Ideen zu schaffen. Weil, sind wir mal ehrlich, was haben wir in Deutschland? Haben wir Rohstoffe? Nein, die haben wir nicht. Das sehen wir gerade wirklich schmerzlich, spüren wir. Aber wir haben unheimlich gute Wissenschaftler, unheimlich gute Ingenieure und unheimlich gutes Produktions-Know-how. Das ist eigentlich unsere deutsche Kernkompetenz. Und die gilt es jetzt umzusetzen auf die neuen Technologien, die wir brauchen. Dann können wir das auch wieder gut verkaufen. Das ist für die Gesamtwirtschaft gut und letztendlich natürlich auch für unsere Standorte, weil wir müssen ja etwas Neues schaffen und dafür brauchen wir diese Zentren.

 

Knippertz: Jetzt haben wir noch gar nicht über andere Projekte gesprochen. Dann grenzen wir es mal ein. Hast du im Moment ein Lieblingsprojekt?

 

Ganse: Naja, neben Borussia, die ja auch zum Revier gehören, was wir gemeinsam vielleicht teilen das Projekt… Nein, es gibt ein ähnlich gelagertes Projekt, nämlich mal weg von den Technologien, hin zu Emotionen. Es gibt bei uns einen Bach, der heißt Gilbach. Den gibt es schon seit, ach Aufzeichnungen, seit der fränkischen Zeit, wo man an der Gilbach von dem Wasser der Gilbach auch gelebt hat, das Vieh getränkt hat und bevor man Brunnen bauen konnte, das war die Lebensader. Das tat sie über Jahrhunderte und irgendwann verschwand die Gilbach. Warum verschwand sie? Weil man angefangen hat, Braunkohle abzubauen, und zwar im Tagebau Fortuna, einem der älteren Tagebaue, die es heute nicht mehr gibt. Und da hat man das Quellgebiet der Gilbach weggebaggert. Später im weiteren Verlauf wurde dann zwischen dieses Quellgebiet und die heutige Gilbach das Kraftwerk Niederaußem gebaut und die Abwässer aus diesem Kraftwerk, also keine belasteten Abwässer, Kühlabwässer, die werden jetzt in die Gilbach geleitet, sodass die Gilbach eigentlich die letzten 50, 60 Jahre in diesem Zustand war, also über Generationen hinweg. Und die Gilbach ist unsere Herzensangelegenheit, weil wenn das Kraftwerk Niederaußem abgeschaltet wird, gibt es auch kein Kühlwasser mehr und damit gibt es auch keine Gilbach mehr. Und da stehen wir jetzt halt mit den Betreibern vom Kraftwerk und auch den Betreibern der Kläranlagen und der Gewässer bei uns in der Region im Diskurs und sagen, wir wollen, dass die Gilbach erhalten bleibt. Die denken eher darüber nach, dass die Gilbach ein ephemeres Gewässer wird, also ein zeitweise trockenes Gewässer – zeitweise, eher 300 Tage im Jahr als andersherum. Und das wollen wir nicht. Wir wollen unsere Gilbach. Wir haben unsere Gilbach-Schule, unsere Gilbach-Gemeinde, unser Gilbach- was auch immer. Und das wollen wir natürlich halten. Das ist ein emotionales Projekt, ganz anders gelagert als das Innovation Cradle, aber wirklich auch ein sehr schönes Projekt.

 

Knippertz: Ja, Emotionen sind ja ganz wichtig, identitätsstiftend auch für eine Region, für Kommunen, für Städte, für Dörfer, aber eben auch für das Rheinische Revier. So was muss man ja… Also es ist auf jeden Fall ganz wichtig. Und wenn du von „wir“ sprichst, wen meinst du da? Sind dann eben auch Verwaltungen oder Anrainerkommunen sich alle einig? „Wir wollen die Gilbach! Ja! Wir wollen die Gilbach!“

 

Ganse: Ich habe… Wenn ich von „wir“ rede, meine ich wirklich alle...

 

Knippertz: Heißt es wirklich „die“? Die Gilbach? Obwohl es ein Bach ist? Nicht der Gilbach?

 

Ganse: Das kam glaube ich auch aus dem Fränkischen. Die Gil war das damals.

 

Knippertz: Okay.

 

Ganse: Soweit historisch bin ich auch noch nicht gut drauf, aber ich kenne die Gilbach, habe als Kind da die Guppys gefangen, die da ja nicht reingehören, aber nichtsdestotrotz war es schön. Und man hat dort Arten drin, weil die Gilbach natürlich ein Gewässer ist, durch RWE-Einfluss, das ist warm, das ist anders als es hier für uns, für die Region ist. Das heißt, wir haben dort tropische Arten drin, das wollen wir natürlich nicht mehr.

 

Knippertz: Da sind Guppys drin?

 

Ganse: Ja, mittlerweile weniger, aber Zacken, schon alles Mögliche ist da drin. Es gibt da schön im Internet auch schöne Beispiele, was da alles rumschwirrt, komplett untypisch für unsere Region. Aber das ist ja auch kein natürliches Gewässer mehr, das muss man einfach sehen. Der Lauf ist noch natürlich. Nein, aber das „Wir“, das „Wir“ bedeutet letztendlich erstmal wir alle gemeinsam, also Verwaltung, Politik, Industrie, Bevölkerung. Und das Schöne, die Gilbach geht nicht nur durch Rommerskirchen, sondern sie fängt in Niederaußem an, also heute in Niederaußem, sprich im Rhein-Erft-Kreis, Bergheim, sie geht dann von Rommerskirchen aus nach Grevenbroich, wieder eine andere Kommune, und von Grevenbroich aus nach Neuss, noch eine andere Kommune. Da geht es in die Erft und dann in den Rhein.

 

Knippertz: Wie lang ist die?

 

Ganse: 28 Kilometer.

 

Knippertz: Okay.

 

Ganse: Und das ist also schon ein verbindendes Element. Das ist auch ein interkommunales Element, was wir sehen. Und da ziehen wir auch interkommunal am gleichen Strang. Es gibt also eine „Task-Force Gillbach“, die sich aus den Politikern und aus den Verwaltungen dieser drei Kommunen zusammensetzt und die auch versuchen wollen, diese Gilbach zu retten.

 

Knippertz: Also es gibt im Prinzip nur die RWE, die nicht dabei ist?

 

Ganse: Ich weiß nicht, ob das nur RWE ist. Es gibt auch den Erft-Verband, der da sicherlich nicht dabei ist. Aber das Schöne ist, wenn wir uns damit beschäftigen, es gibt da diesen emotionalen Teil. Es gab Ratssitzungen und auch Ausschusssitzungen, wo dann RWE und auch Erft-Verband geladen waren, die herrlich waren, wenn man so wirklich mal so etwas sehen will, auch wie sich Leute streiten, auch in einem guten Diskurs teilweise, teilweise auch in einem eher nicht so guten, sehr emotionalen Diskurs. Das war, das ist super, das brauchen wir auch in dieser Gilbach… Da bin ich fest davon überzeugt. Aber wir brauchen auch diese andere Seite, nämlich, nach Lösungen zu suchen. Und da sind wir ganz gut unterwegs, glaube ich.

 

Knippertz: Aber warum wollen die, ich nenne sie jetzt mal boshaft, Gilbach-Gegner die nicht erhalten?

 

Ganse: Rate mal.

 

Knippertz: Geld?

 

Ganse: Ja, spielt mit Sicherheit eine Rolle. Ich meine, wenn wir… mein Bürgermeister hat mal… Dr. Martin Mertens ist in Rommerskirchen unser Bürgermeister und wir hatten eine Ausschusssitzung, wo dann auch das Thema darauf kam, wo man dann gesagt hat, naja, wir haben ja da nicht die Ewigkeitsverantwortung wie an anderen Stellen. Und dann hat er super beschrieben, finde ich, ihr baut die höchsten Berge hier rein, die vorher nie da waren, die größten Seen Europas, die größte Seenlandschaft Europas, die war vorher auch nicht da, ihr legt die Rur um, die Erft und die Niers und dann kommt ihr wegen der Gilbach an und sagt, ihr habt da keine Verantwortung für. Wenn ich mir angucke, Sophienhöhe bis unten die Talsohle sind knapp 700 Meter, die vorher nicht da waren, Höhenunterschied. Und das ist so ein Punkt, wo man auch sagt, ja, es geht letztendlich um die Verantwortung, um die dauerhafte Verantwortung. Aber es gibt ja Lösungen und die müssen wir uns erarbeiten und die müssen wir dann auch dazu kriegen, dass es funktioniert. Und ich glaube, auf dem Weg sind wir eigentlich einigermaßen gut, auch mit den Parteien. Es gibt diese emotionale, öffentliche Seite und vielleicht eine dahinter.

 

Knippertz:Was sind weitere Projekte, die dir am Herzen liegen, oder euch?

 

Ganse: Also ganz klar die Kraftwerksfläche Neurath, ist natürlich groß, zusammen mit Grevenbroich, das sind annähernd 600 Hektar, die wir da zur Verfügung haben, die wir weiterentwickeln müssen. Und das ist ein großes Projekt gemeinsam mit PSW – Perspektive Strukturwandel, das ist eine Gesellschaft von ich glaube NRW Urban mit 50,1 Prozent und RWE als Flächeneigner mit den entsprechenden Rest-Prozenten. Und da sitzen wir gemeinsam und ziehen an dem Strang, gucken, wie können wir das entwickeln, wie können wir das in welcher Zeitschiene entwickeln. Spannendes Projekt, aber auch noch sehr langwierig.

 

Knippertz: Was sind da die größten Herausforderungen?

 

Ganse: Ich glaube jetzt ganz klar, dieser wirklich schlimme Krieg, der dann auch wieder dazu geführt hat, dass wir auch über Braunkohleverstromung weiter nachdenken müssen und damit den ganzen Zeitplan natürlich wieder auf den Kopf stellen, egal ob es jetzt 2030 oder 2038 wird, wir haben ungeklärte Situationen. Und so ein Kraftwerk Neurath, wenn ich mir das angucke, es ist hochgradig komplex und hochgradig miteinander verwoben. Das heißt, man kann nicht einfach sagen, wir nehmen jetzt hier fünf Meter weg und die können wir schon mal abbauen und den Rest. Das macht so die Herausforderung aus, neben natürlich den ganz ungeklärten Dingen. Das war eine Industriefläche jetzt, die rein zur Stromerzeugung genutzt wurde. Jetzt kommen Fragen, wenn wir da Gewerbebetriebe, Industriebetriebe daraufsetzen, wohin geht das Abwasser, wenn wir…, wie kommen die Menschen dahin, wie kommen sie wieder weg, wie kommen die Güter hin und wieder weg. Alles ungeklärte Fragen, die aber sehr spannend sind. Und da kommt übrigens die Gilbach wieder ins Spiel. Die kann nämlich für die Entwässerung sorgen, ist ein prima Vorfluter, heißt das dann Neudeutsch, ein prima Vorfluter für die Wässer, die wir da hinkriegen, zusammen mit unserem ganzen Wohnwachstum, was wir auch noch haben. Und da sind wir wieder im Rennen.

 

Knippertz:Man merkt, dir liegt das wirklich sehr am Herzen und daraus höre ich, dass – du sprichst ja mit sehr vielen Menschen – dass das den Menschen dort eben auch sehr am Herzen liegt.

 

Ganse: Ja. Also ich sage mal, wir könnten so viel Hilfe noch zusätzlich annehmen, das schaffen wir auch nicht. Wir müssen es immer lokalisieren. Also man merkt, es ist unheimlich viel Bewegung darin, auch mit unseren Landwirten, die für Rommerskirchen… Wir haben 85 Prozent landwirtschaftliche Fläche, also die Landwirte sind uns auch sehr wichtig, aber in eine bestimmte Richtung natürlich auch nicht so weiterzumachen wie bisher, sondern auch mal darüber nachzudenken, wie können wir es denn besser machen, auch für die Zukunft des Reviers.

 

Knippertz: Jetzt versuche ich mich ja manchmal ein bisschen zu neutralisieren, obwohl ich das Thema auch sehr schön finde. Aber besteht nicht dann manchmal die Gefahr, dass jede Kommune beim Strukturwandel so ihre eigene Lieblingsidee realisieren möchte, sozusagen ihr Ding macht, ohne sich mit den umliegenden abzustimmen?

 

Ganse: Ich glaube, dass das so war, dass man schon versucht hat, zusammen zu kooperieren, aber jeder erstmal natürlich an seine Projekte gedacht hat. Ist ja auch legitim. Würden wir wahrscheinlich alle so tun. Aber durch die Anschaffung dieser Strukturwandelmanager, die ja auch ein Projekt sind im Rheinischen Revier – das ist das erste und ich glaube auch größte geförderte Projekt, was schon umgesetzt wird –, haben wir natürlich diese Ebene, dass wir uns vernetzen, dass wir uns austauschen über unsere Projekte. Und ich glaube, darüber haben wir auch einen Hebel, vielleicht die Kommunen etwas mehr zusammenzubringen, das gemeinsam zu denken. Das ist aber auch eine unserer Aufgaben, unserer Kernaufgaben, macht auch viel Spaß.

 

Knippertz: Was habt denn ihr für einen Zeitplan? Manchmal mahlen die Mühlen ja langsam.

 

Ganse: Unser Zeitplan ist ja erst mal dadurch legitimiert, dass – wie jedes andere Projekt – das nur vier Jahre läuft. Und du sagst ja, ich bin zehn Monate dabei, kannst du dir das ausrechnen, das ist der erste Zeitplan. Damit ist natürlich fast gar nichts geschafft. Wenn wir Entscheidungsjahre haben von momentan aktuell mehreren Jahren, bis wir so ein Projekt dann wirklich am Start haben, kann man das nicht schaffen. Ich gehe mal davon aus, dieses Strukturwandelthema wird uns auch die nächsten 10, 15 Jahre mindestens begleiten. Wir wissen ja Stand heute nicht, wann geschehen welche Schritte, die wir wirklich haben. Das ist ja auch noch viel Blackbox.

 

Knippertz: Wie könnte man das besser machen?

 

Ganse: Wie könnte man es besser machen… Ich glaube, die ganzen externen Einflüsse, die wir haben, Krieg, Klimawandel, Energie, die sind einfach da. Das sind Randbedingungen, mit denen müssen wir umgehen. Der Krieg hat gezeigt, es gibt Dinge, die kennen wir heute nicht, die vielleicht noch auf uns zukommen. Auch Corona hat das gezeigt. Ich glaube aber trotzdem, wenn wir gute Pläne entwickeln, wie wir in die Zukunft kommen können, mit den Stärken im Revier – und wir haben eine Menge Stärken –, dann glaube ich, werden wir uns auch gegen so etwas wappnen können. Ob es dann mal ein Jahr oder zwei oder auch zehn länger dauert, das ist für mich ein anderes Thema. Wichtig ist, dass wir losgehen. Und zwar wir hatten… Ich war mit meinem Sohn im Forschungszentrum, da gab es einen Tag der offenen Tür. Die hatten eine schöne Idee, die haben aus alten Plastikflaschen so ein Gewächshaus gebaut und dann sollten auf die Plastikflaschen Wünsche für den Strukturwandel draufgeschrieben werden im Revier. Und dann habe ich da draufgeschrieben, mein Teil, den ich gerne gehabt hätte, „Gemeinsam im Wandel“. Das ist mir sehr wichtig, dass wir diesen Wandel gemeinsam machen. Und mein Sohn hat gesagt, „Für ein nachhaltiges Revier“ und ich finde dieses, genau das beschreibt das eigentlich optimal, weil das nachhaltige Revier ist das, wo wir hinkommen müssen. Wir werden unser Leben verändern müssen, jeder von uns, jeder kann etwas dazu beitragen, aber wir werden, ich glaube, gestärkt daraus hervorgehen, viel besser als es unsere Eltern hatten. Mein Gefühl ist, unsere Generation, wir sind ja ungefähr ähnlich, die hat es verbockt. Wir haben es von unseren Eltern, es ging immer nur nach oben. Wir haben gelebt, gelebt, gelebt und uns nie Gedanken gemacht, was kostet es eigentlich und wer bezahlt die Rechnung. Und wir haben aber jetzt auch noch die Chance, unsere Generation, das unseren Kindern anders zu übergeben, als wir es heute sehen.

 

Knippertz: Was wäre denn dein Wunsch oder deine Vorstellung, wie die Zukunft in – bleiben wir jetzt mal in Rommerskirchen – nach dem Strukturwandel aussehen soll, in, sagen wir mal, 20 Jahren? Hast du da eine Vision?

 

Ganse: Ja, das ist, dass wir nicht nur über Rommerskirchen reden, sondern über eine Region, es gibt bei uns das „Rheinische Sixpack“. Das ist eine Struktur, die schon länger da ist. Das sind sechs Kommunen, die miteinander arbeiten. Und das haben wir als Strukturwandler dann, ich sage mal, für uns genutzt und stilecht am 11.11. um 11:11 mit ein bisschen Bier und ein paar Dings dann unsere konstituierende Sitzung gemacht letzten Jahres. Und ich hoffe, dass das ein Beispiel wird dafür, dass wir gemeinsam da durchgehen. Und wenn ich das tue und mir gleichzeitig angucke, was passiert, wir sitzen hier in Köln, große Städte, die immer näher rücken, Düsseldorf noch dabei. Es gibt Aachen, es gibt Mönchengladbach. Was passiert mit diesen Städten? Mein Wunsch wäre, dass wir ein Puffer für die Städte werden und dass wir eine ländliche Region bleiben, aber mit urbaneren Elementen, und zwar interkommunal, dass wir auch kulturell etwas anbieten können, dass wir freizeitmäßig etwas anbieten können, vernünftige Arbeit anbieten können und die Mobilität damit dann auch entlasten.

 

Knippertz: Hört sich gut an. Wir haben hier in unserem Podcast auch die Rubrik „Kurz und knackig“ und die gibt es jetzt. Deswegen meine drei Fragen an dich als gebürtigen Rommerskirchener. Was zeichnet die Menschen oder die Gegend dort besonders aus?

 

Ganse: Wir Rommerskirchener sind Rheinländer und, wie Rheinländer so sind, wir sind offen. Und ich glaube, das ist auch eine Stärke nicht nur von Rommerskirchen, sondern vom Revier. Und das ist in Rommerskirchen schon immer. Also wir sind alles Rheinländer.

 

Knippertz: Wo bist du am liebsten unterwegs im Rheinischen Revier?

 

Ganse: Ich bin ein Mensch, der sich generell nicht gerne festlegt, weil er vieles mag. Aber ich mag ganz gerne zum Beispiel das Peringsmaar in Bedburg, wo ich bin. Ich fahre aber auch gerne Motorrad in der Eifel und ich bin auch sehr gerne – auch im Rheinischen Revier – im Borussia-Park. Also ich bin… das ganze Revier ist mein Wunsch eigentlich.

 

Knippertz: Was ist dein liebstes rheinisches Gericht?

 

Ganse: Ja, da würde ich sagen, Himmel un Äd [Himmel und Erde], das esse ich immer ganz gerne, wenn ich es mal kriege und dann nicht selber machen muss.

 

Knippertz: Mit Apfelmus oder ohne?

 

Ganse: Mit.

 

Knippertz: Ja!

 

Ganse: Wenn schon, denn schon. Volles Programm.

 

Knippertz: Hmm! Ja, wäre ich dabei, lecker! Du bist seit acht Jahren alleinerziehender Vater, hast du gesagt?

 

Ganse: Ja.

 

Knippertz: Lässt sich Beruf und Familie in Rommerskirchen gut unter einen Hut bringen?

 

Ganse: Ich war eigentlich nie berufstätig in Rommerskirchen, insofern schwer für mich zu beantworten. Jetzt aktuell, auf jeden Fall. Und das war auch ein Teil der Entscheidung, warum ich das gesagt habe, ich möchte das gerne machen, weil ich das meinen Kindern dann für die Zukunft etwas tun kann, aber auch, weil sich es natürlich vereinbaren lässt prima. Das Rathaus ist von mir einen Kilometer weg, also kein Problem. Und selbst wenn ich jetzt weg muss, wie jetzt hier nach Köln oder nach Jülich mal fahre oder woanders hin, das lässt sich alles prima händeln und das ist schon ein echter Mehrwert.

 

Knippertz: Und damit nähern wir uns auch fast schon dem Ende unserer heutigen Ausgabe. Aber eines wollte ich dich noch fragen. Bist du optimistisch, dass du den Strukturwandel im Rheinischen Revier oder dass wir den, dass alle gemeinsam den gut hinbekommen?

 

Ganse: Den letzten Satz, ja, also ich alleine nicht. Aber wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, dann auf jeden Fall, weil ich glaube, dann haben wir… dann können wir alles schaffen. Wir sind Rheinländer, wir schaffen alles, wir haben auch die Vergangenheit super hingekriegt, oder? Und es waren immer ungeklärte Dinge. Also ich bin sehr zuversichtlich, aber wir müssen es auch tun. Wir können nur an uns selbst scheitern.

 

Knippertz: Dann drücken wir dir, euch, uns allen im Rheinischen Revier die Daumen. Aber nur Daumendrücken hilft nicht. Also packen wir selber auch mit an! Vielen, vielen Dank, dass du da warst. Du bist offensichtlich der personifizierte Strukturwandel, gelebter Strukturwandel. Und wir hoffen wirklich, dass alle, mit denen du in Kontakt kommst, dass du sie anstecken kannst mit dem Optimismus, mit der Begeisterung. Hier hat es auf jeden Fall schon mal geklappt bei mir. Dankeschön, dass du da warst und das alles mit uns geteilt hast.

 

Ganse: Ja, danke für deine Zeit. Jeder ist eingeladen mitzumachen.

 

Knippertz: Und damit sind wir jetzt wirklich am Ende unserer heutigen Episode von Revier.Geschichten. Vielen, vielen Dank, dass Sie dabei waren, dass Ihr dabei ward. Danke für‘s Zuhören. Gerne den Familien, den Freunden weitererzählen von unserem Podcast, den Freundinnen sagen, dass sie ihn abonnieren sollen und damit es immer die neueste Episode gibt, einfach nur auf abonnieren drücken, teilen, liken und beim nächsten Mal gerne wieder dabei sein. Ich sage Tschüss, bis zum nächsten Mal, euer Torsten Knippertz.

 

Ton: Musik

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„Es geht letztlich darum, für die Region Technologien zu entwickeln oder einzuführen, die auch uns für die Zukunft wettbewerbsfähig machen, wenn keine Braunkohle und kein günstiger Strom mehr aus der Kohle verfügbar ist“, sagt Dr. Alexander Opitz. Gemeinsam mit Alex Dickmann leitet er das AI Village in Hürth, in dem sich alles um KI und deren Einsatzmöglichkeiten dreht. Sie wollen KI entwickeln, erlebbar und erlernbar machen.

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Bei der Kölner Kultband Höhner steht er am Keyboard. In unserem Podcast spricht Micki Schläger mit Moderator Torsten Knippertz über seine Kindheit in Katzem. Das überschaubare Dorf gehört zu Erkelenz. Hier hat Schläger seine Wurzeln, hier lebt seine Familie und hier hat er eine Musikschule. Obwohl er inzwischen in Köln lebt, ist er regelmäßig in Katzem. „Ich bin immer wieder gerne in Erkelenz und das wird auch immer meine Heimat bleiben.“

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Gast

Volker Ganse
Strukturwandelmanager Rommerskirchen

Moderator

Torsten Knippertz

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